Tayfun Serttas ist Autor, Künstler und Aktivist. Der homosexuelle Künstler beschäftigt sich in seinen Videoprojekten, Fotoarbeiten und Installationen unter anderem mit Geschlechterrollen, Minderheiten und dem Wandel der Stadt. Der 28-Jährige ist außerdem als Autor für die armenische Zeitung Agos tätig.
Die Frage ist meiner Meinung nach nicht, ob Istanbul den Titel "Kulturhauptstadt" verdient hat, sondern ob die Stadt einen solchen Titel überhaupt nötig hat. Die Verantwortlichen haben diesen Status in der Vergangenheit schon den kleinsten, provinziellsten europäischen Städten als "Motivationshilfe" verliehen. Ist die Wahl Istanbuls zur Kulturhauptstadt vor diesem Hintergrund nicht vielleicht sogar eher eine Beleidigung? Istanbul ist doch ohnehin schon seit 2000 Jahren die Kulturhauptstadt dieser Weltregion.
In Istanbul leben 15 Millionen Menschen. Wir haben hier eine gesellschaftliche Dynamik, die man in dieser Form vielleicht gerade noch in New York findet. Und diese Stadt soll sich nun also über einen Titel freuen, den vorher schon Städte wie Graz, Cork und Patras innehatten? Allesamt Orte, die kleiner und eintöniger sind als so mancher Stadtteil von Istanbul allein? Ich finde das ziemlich lächerlich.
Ich habe keinerlei Erwartungen an das Kulturhauptstadtjahr. Es ist eine Menge Geld geflossen, um das sich die Verantwortlichen seitdem streiten. Die Kunstprojekte standen immer im Hintergrund. Zudem zeigt das Programm ein völlig reduziertes Bild der Stadt. Istanbul wird exotisiert und zu einer reinen Touristenattraktion degradiert. Das sind doch alles Bemühungen, sich Europa anzubiedern! Das Programm beinhaltet lauter künstliche Projekte, die interne Konflikte völlig außer Acht lassen. Hrant Dink wurde hier, in dieser Stadt, vor unser aller Augen ermordet. Aber die Stadtverwaltung lässt noch nicht einmal zu, dass die Straße, in der er getötet wurde, nach ihm benannt wird! Eine "Kulturhauptstadt" sollte die Morde an ihren Vordenkern nicht unter den Teppich kehren, sondern sich damit auseinander setzen.
Stattdessen nutzt das zuständige Komitee das Kulturhauptstadtjahr ausschließlich als Gelegenheit, um neue orientalistische Bilder zu produzieren. Kultur lässt sich ja auch nicht einfach von Bürokraten erschaffen. Der einzige Programmpunkt, über den ich mich wirklich gefreut habe: ein Baugerüst, das seit 16 Jahren mitten in der Hagia Sophia stand, wird im Kulturhauptstadtjahr nun endlich entfernt. Aber in Bezug auf mein Metier, die zeitgenössische Kunst, hat sich nichts getan.
Link: http://www.spiegel.de/reise/europa/0,1518,696740-2,00.html
Die Frage ist meiner Meinung nach nicht, ob Istanbul den Titel "Kulturhauptstadt" verdient hat, sondern ob die Stadt einen solchen Titel überhaupt nötig hat. Die Verantwortlichen haben diesen Status in der Vergangenheit schon den kleinsten, provinziellsten europäischen Städten als "Motivationshilfe" verliehen. Ist die Wahl Istanbuls zur Kulturhauptstadt vor diesem Hintergrund nicht vielleicht sogar eher eine Beleidigung? Istanbul ist doch ohnehin schon seit 2000 Jahren die Kulturhauptstadt dieser Weltregion.
In Istanbul leben 15 Millionen Menschen. Wir haben hier eine gesellschaftliche Dynamik, die man in dieser Form vielleicht gerade noch in New York findet. Und diese Stadt soll sich nun also über einen Titel freuen, den vorher schon Städte wie Graz, Cork und Patras innehatten? Allesamt Orte, die kleiner und eintöniger sind als so mancher Stadtteil von Istanbul allein? Ich finde das ziemlich lächerlich.
Ich habe keinerlei Erwartungen an das Kulturhauptstadtjahr. Es ist eine Menge Geld geflossen, um das sich die Verantwortlichen seitdem streiten. Die Kunstprojekte standen immer im Hintergrund. Zudem zeigt das Programm ein völlig reduziertes Bild der Stadt. Istanbul wird exotisiert und zu einer reinen Touristenattraktion degradiert. Das sind doch alles Bemühungen, sich Europa anzubiedern! Das Programm beinhaltet lauter künstliche Projekte, die interne Konflikte völlig außer Acht lassen. Hrant Dink wurde hier, in dieser Stadt, vor unser aller Augen ermordet. Aber die Stadtverwaltung lässt noch nicht einmal zu, dass die Straße, in der er getötet wurde, nach ihm benannt wird! Eine "Kulturhauptstadt" sollte die Morde an ihren Vordenkern nicht unter den Teppich kehren, sondern sich damit auseinander setzen.
Stattdessen nutzt das zuständige Komitee das Kulturhauptstadtjahr ausschließlich als Gelegenheit, um neue orientalistische Bilder zu produzieren. Kultur lässt sich ja auch nicht einfach von Bürokraten erschaffen. Der einzige Programmpunkt, über den ich mich wirklich gefreut habe: ein Baugerüst, das seit 16 Jahren mitten in der Hagia Sophia stand, wird im Kulturhauptstadtjahr nun endlich entfernt. Aber in Bezug auf mein Metier, die zeitgenössische Kunst, hat sich nichts getan.
Link: http://www.spiegel.de/reise/europa/0,1518,696740-2,00.html
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